Den perfekten Schatten programmiert
Am Computer entwickelt und mit Hilfe von Robotern gebaut: ETH-Studierende des MAS Architektur und Digitale Fabrikation bauten eine Holz-Pergola, welche die sonnenexponierte Terrasse des Istituto Svizzero in Rom zu einem angenehmen, schattigen Ort macht. Das Projekt beweist das Potenzial der digitalen Fabrikation im Holzbau.
Wozu digitale Technologien in der Architektur f?hig sind, l?sst sich seit kurzem am Istituto Svizzero in Rom zeigen. Auf der Terrasse eines Nebengeb?udes des Schweizer Kulturinstituts steht seit Juni ein aussergew?hnlicher Holzpavillon. Auffallend an der bis zu vier Meter hohen Konstruktion sind die kurzen Holzelemente, die nur durch Holzdübel verbunden sind.
Das System aus Holzelementen weitet und verdichtet sich und schafft so je nach Sonnenstand immer neue Schattenpl?tze. ?Wer die Struktur der Pergola genauer betrachtet, entdeckt in der Anordnung ein Regelwerk, das auf den digitalen Ursprung der Konstruktion hinweist. Jedes Holzelement ist Teil eines gr?sseren Systems und so lassen sich die feinen ?berg?nge erkl?ren, die dem Pavillon seinen Namen gaben: Gradual Assemblies?, sagt Hannes Mayer, Programmleiter des MAS Programms und Oberassistent an der Professur für Architektur und Digitalen Fabrikation.
Im Studiengang Master of Advanced Studies (MAS) ?Architektur und Digitale Fabrikation? werden die Kompetenzen in der digitalen Planung und Fabrikation an eine junge Generation weitergegeben. Im Rahmen der Ausbildung dienen Bauprojekte dazu, den gesamten digitalen Planungs- und Bauprozess ebenso wie das physische Bauen und seine Rahmenbedingungen in der Realit?t zu verstehen – von der Konzeption bis zur Fertigstellung. Gleichzeitig steht die robotische Fertigung im Mittelpunkt des Lehrprogramms.
Terrasse als Bauplatz
Zum Bau des Pavillons eingeladen hatte das Istituto Svizzero. Als Bauplatz war den Studierenden die L-f?rmige, 250 Quadratmeter grosse Travertin-Terrasse auf einem Nebengeb?ude des Istituto Svizzero vorgegeben. Diese ist den ganzen Tag der sengenden R?mer Sonne ausgesetzt und trotz sch?ner Lage kaum zu nutzen.
Für die Studierenden war dieses Projekt eine besondere Herausforderung: ?Rom war einst eine Stadt der Innovationen in der Architektur, die Kunst und Technik zusammenbrachte. Heute nehmen wir sie vorwiegend als einen historischen Ort war?, sagt Mayer. ?Wir hatten also die M?glichkeit, ein Stück Innovationskraft nach Rom zurückzubringen.?
Die Holzpergola auf einer Sonnenterrasse
Dies gelang den 17 Studierenden in ?usserst kurzer Zeit. Sie entwarfen, entwickelten und bauten den Pavillon innerhalb von nur zehn Wochen. Davon entfielen knapp drei Wochen auf die Herstellung der Elemente in Zürich; eine Woche brauchten sie, um den Bau auf der Terrasse zu errichten. Anfang Juni stand die Konstruktion und wurde feierlich er?ffnet.
Rein digitale Prozesskette
Die Entwicklung und Fabrikation der Pergola folgten einer rein digitalen Prozesskette. Dabei führten die Studierenden den Entwurf, die Ergebnisse einer Sonnenstandssimulation zur Positionierung der Holzelemente, die konstruktiven Rahmenbedingungen sowie die Fabrikationsdaten in einem digitalen Modell zusammen.
?Mit herk?mmlichen Methoden w?re es unm?glich, die 700 Holzelemente und 2700 Buchenholzdübel in ihrer Position zu definieren, so dass sich ein so dynamisches wie harmonisches Gesamtbild ergibt. Hier braucht es Regeln, die in Algorithmen übersetzt die vielen Einzelelemente zu einem leistungsf?higen sch?nen Werk vereinen?, hebt Mayer die Vorzüge der digitalen Entwicklung hervor.
Die Wechselwirkung von Dübeln und Holzlamellen bei dieser Konstruktion hat den Vorteil, dass sich eine offene Struktur bauen l?sst. Dies erm?glicht es zudem, dass der Pavillon einer kurvigen Linie folgt und sich die tr?gerartigen Bauteile verjüngen oder auff?chern. Die Studierenden montierten in Rom elf Tr?ger aus 22 Einzelelementen und fügten sie zu einer scheinbar nahtlosen Gesamtstruktur zusammen.
Kein Leim, keine N?gel, keine Schrauben
Hergestellt wurden s?mtliche Elemente der Pergola im Robotic Fabrication Laboratory an der ETH Zürich. ?ber das digitale Modell wurden zwei Roboterarme angesteuert, die an einer beweglichen Brücke von der Decke des Instituts für Technologie in der Architektur auf dem ETH-竞彩足球app,竞彩投注app H?nggerberg installiert sind. Der eine Arm platzierte die Holzlatten millimetergenau, der andere bohrte L?cher für die Holzdübel in unterschiedlichen, gegenl?ufigen Winkeln, was die festigende Wirkung der Dübel verbesserte. ?Für diese Arbeit ist der Roboter ein perfektes Werkzeug, denn er kann die einzelnen Elemente sehr pr?zise im Raum positionieren. Dank ihm lassen sich komplexe und differenzierte digitale Entwürfe in die physische Welt übertragen?, betont Mayer.
Ganz ohne Mensch ging es jedoch nicht. Die Studierenden mussten alle Holzdübel in Handarbeit einschlagen. Diese wurden zuvor in einem Ofen getrocknet. Dadurch schrumpfte das Holz, sodass sich die Dübel in kleinere Bohrl?cher einschlagen liessen. Einmal platziert, wurden sie wieder befeuchtet, sodass sie aufquollen und sich mit den entsprechenden Holzelementen fest verbanden. Abgesehen von der Verbindung der metallenen Bodenplatten mit den Tr?gern kommt der Pavillon somit g?nzlich ohne Leim, Schrauben oder N?gel aus.
?Holz und Feuchtigkeit spielen hier mit den digitalen Entwurfs- und Fabrikationswerkzeugen zusammen, um die Technik der Holz-Holzverbindungen weiterzuentwickeln?, sagt Mayer. ?Die Technik der Holz-Holzverbindungen erlebte bereits im Mittelalter eine erste Blüte und wurde sp?ter vom industriellen Bauen verdr?ngt. ?An der ETH Zürich tritt sie nun wieder aus dem Schatten, um in Rom einen wunderbaren neuen Schatten zu werfen.?
Sommerserie
Im Rahmen einer Serie pr?sentiert ETH-News w?hrend der Ferienzeit regelm?ssig Beitr?ge zu Forschung und Innovation, welche etwas mit der sch?nsten Zeit des Jahres zu tun haben.
Bisher erschienen:
11.07. Schwitzen für ein kühleres Singapur
18.07. Wissenschaftler für einen Tag
30.07. Kochen, auch wenn es windet