Dieses Nanoröhrchen hat den richtigen Riecher für Sauerstoff

ETH-Forschende entwickeln einen kostengünstigen Sensor aus Kohlenstoff-Nanor?hrchen, der unter Licht kleinste Mengen Sauerstoff selektiv, effizient und zuverl?ssig in Gasgemischen messen kann. Er k?nnte als Detektor in der Industrie, Medizin und im Umweltmonitoring breit zu Einsatz kommen.?

Eine Illustration des Kohlenstoffnanoröhrchens und dem Farbstoff, welcher Licht in elektrische Ladung umwandelt.
Ein Nanor?hrchen aus Kohlenstoff, eine Schicht Titandioxid und ein Farbstoff, der Licht in elektrische Ladung umwandelt – aus diesen drei Modulen besteht der neuartige Sauerstoffmesser. (Bild: Bezdek Group / ETH Zürich)

In Kürze

  • ETH-Chemiker:innen haben einen winzigen Hochleistungssensor für Sauerstoff realisiert, der eine breite Palette an Leistungskriterien erfüllt.
  • Die zentrale Innovation besteht darin, dass der Sensor ?hnlich wie die Lichternte von Solarzellen funktioniert, wobei das Licht die Messreaktion ausl?st.
  • Die Forschenden haben ihren Sensor zum Patent angemeldet und arbeiten nun daran, das Konzept auf weitere Umweltgase anzuwenden.

Sauerstsoff ist lebensnotwendig und ein reaktionsfreudiger Akteur in vielen chemischen Prozessen. Entsprechend sind Methoden, die Sauerstoff genau messen, für zahlreiche industrielle und medizinische Anwendungen relevant: Sie analysieren Abgase von Verbrennungsprozessen, erm?glichen die sauerstofffreie Verarbeitung von Lebensmitteln und Medikamenten, überwachen den Sauerstoffgehalt unserer Atemluft oder die S?ttigung des Blutes.

Auch beim Monitoring der Umwelt spielen Sauerstoffanalysen eine immer wichtigere Rolle. ?Allerdings brauchen solche Messungen meist sperrige, stromhungrige und teure Ger?te, die für mobile Anwendungen oder Dauereins?tze im Freien kaum geeignet sind?, sagt Máté Bezdek, Professor für funktionelle Koordinationschemie an der ETH Zürich. Seine Gruppe verwendet Methoden des molekularen Designs, um neue Sensoren für Umweltgase zu finden.

Im Falle von Sauerstoff ist das Bezdeks Gruppe nun gelungen: In einer externe Seite Studie im Fachmagazin Advanced Science haben die Forschenden einen lichtaktivierten Hochleistungssensor pr?sentiert, der Sauerstoff in komplexen Gasgemischen pr?zise detektieren kann und zudem die relevanten Eigenschaften für den Feldeinsatz besitzt.

Ein kompromissloser Allrounder

Lionel Wettstein, Doktorand in Bezdeks Gruppe und Erstautor der Studie, erkl?rt: ?Herk?mmliche Messmethoden gehen für eine hohe Empfindlichkeit oft Kompromisse ein.? So gibt es Sensoren, die sehr empfindlich auf Sauerstoff reagieren, aber viel Strom verbrauchen und durch Umweltfaktoren wie Feuchtigkeit gest?rt werden. Andere sind gegenüber St?rgasen tolerant, aber weniger empfindlich und werden rasch verbraucht. ?Station?re Ger?te, aufwendige Proben und hohe Kosten schr?nken die Einsatzm?glichkeiten ebenfalls ein?, so Wettstein.

Der neue Sensor kommt hingegen als praktischer Allrounder daher: Er ist sehr empfindlich, weist Sauerstoff in einer Million anderer Moleküle nach, funktioniert aber auch bei h?heren Konzentrationen zuverl?ssig. Zudem ist er selektiv, toleriert also Feuchtigkeit und andere St?rgase, und hat eine lange Lebensdauer. Schliesslich ist er winzig klein, aber dennoch kostengünstig, einfach anwendbar und verbraucht nur wenig Strom.

Porträt von Máté Bezdek
?Unser Sensormaterial ist modular aufgebaut – wir wollen die Komponenten chemisch so ver?ndern, dass auch andere relevante Zielmoleküle nachweisbar werden.?
Porträt von Máté Bezdek
Máté Bezdek

Das macht den miniaturisierten Sensor interessant für tragbare Ger?te und mobile Echtzeitmessungen im Feld – etwa für die Analyse von Autoabgasen oder die Früherkennung von verdorbenen Lebensmitteln. Der Detektor eignet sich aber auch für das kontinuierliche Monitoring von Seen, Flüssen und B?den durch grossfl?chig verteilte Sensornetzwerke. ?Der Sauerstoffgehalt in diesen ?kosystemen ist ein wichtiger Indikator für die ?kologische Gesundheit?, weiss Wettstein.

Mit Nanor?hrchen Moleküle messen

Um die gewünschten Eigenschaften zu erhalten, hat Bezdeks Gruppe den Sensor gezielt aus molekularen Komponenten konzipiert. Er geh?rt zur Klasse der Chemiresistoren: Das sind winzige elektrische Schaltungen mit einem aktiven Sensormaterial, das direkt mit dem zu analysierenden Molekül wechselwirkt und dabei seinen elektrischen Widerstand ?ndert. ?Der grosse Vorteil ist, dass sich dieses Signal ganz einfach messen l?sst?, h?lt Bezdek fest.

Als Basis für das Sensormaterial w?hlten die Forschenden einen Verbundstoff aus Titandioxid und Kohlenstoff-Nanor?hrchen. Titandioxid kann als Chemiresistor dienen, hat aber den Nachteil, dass dies nur bei sehr hohen Temperaturen funktioniert. ?Aus diesem Grund haben wir Kohlenstoff-Nanor?hrchen in den Verbundstoff eingebracht?, berichtet Bezdek.

Die Nanor?hrchen bilden die energiesparende Plattform – sie sorgen dafür, dass die Sensorreaktion bei Zimmertemperatur abl?uft und ohne Erhitzung auskommt. Um schliesslich zu erreichen, dass das Sensormaterial Sauerstoff zuverl?ssig von anderen Gasen unterscheiden kann, liess sich das Team von Farbstoffsolarzellen inspirieren: Bei diesen Solarzellen sammeln spezielle Farbstoffmoleküle, Fotosensibilisatoren genannt, Lichtenergie ein und wandeln sie in elektrischen Strom um.

Eine Illustration eines Kohlenstoffnanoröhrchens mit einem Graphen über die Ergebnisse auf der rechten Seite. Die Sauerstoffkonzentration hat gleichmässige und grosse Schwankungen
Das Sensormaterial basiert auf einem Verbund aus Kohlenstoff-Nanor?hrchen und Titandioxid (TiO2). Ein Farbstoff (Photosensibilisator) f?ngt grünes Licht ein und macht das Sensormaterial für Sauerstoff empfindlich.  (Illustration: Bezdek Gruppe / ETH Zürich)

Dieses Funktionsprinzip haben die Forschenden auf ihren Sensor übertragen: In Gegenwart von grünem Licht übertr?gt der Fotosensibilisator Elektronen auf den Verbundstoff aus Titandioxid und Nanor?hrchen. Das aktiviert das Material und macht es spezifisch für Sauerstoff empfindlich. ?Im Gegensatz zu anderen Gasen behindert Sauerstoff den Ladungstransfer im aktivierten Sensor, wodurch sich dessen Widerstand ver?ndert – das ist die Grundlage der Sensorreaktion?, resümiert Wettstein.

Vom Labor ins Feld

Die Forschenden haben ihre Sensortechnologie bereits zum Patent angemeldet und sind nun auf der Suche nach Industriepartnern, um die Technologie weiterzuentwickeln. Langlebigen und zuverl?ssigen Sensoren, die Sauerstoff spezifisch in Gasgemischen messen, wird ein j?hrliches Marktvolumen von rund 1,4 Milliarden US-Dollar zugeschrieben.

Das Team arbeitet nun daran, ihr Sensorkonzept über Sauerstoff hinaus auf andere Umweltgase anzuwenden, die ?kologisch eine wichtige Rolle spielen. ?Unser Sensormaterial ist modular aufgebaut – wir wollen die chemische Zusammensetzung der Komponenten so ver?ndern, dass auch andere Zielmoleküle nachgewiesen werden k?nnen?, so Bezdek.

Ein aktuelles Thema seiner Gruppe ist der Nachweis von Schadstoffen auf Stickstoffbasis, die in der Landwirtschaft zu ?berdüngung führen und B?den sowie Gew?sser belasten. ?Um den ?kologischen Fussabdruck des Agrarsektors zu verringern, brauchen wir Sensoren, die eine pr?zise Düngung von Feldern erm?glichen?, gibt Bezdek zu bedenken.

 Literaturhinweis

Wettstein L, Bezdek MJ, et al. A Dye-Sensitized Sensor for Oxygen Detection under Visible Light Advanced Science (November 20, 2024). doi: externe Seite 10.1002/advs.202405694

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